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Escherichia coli (E. coli)
E. coli ist das am meisten eingesetzte immobilisierte Bakterium in der modernen Molekularbiologie, somit auch der DIY-Bio.[1] E. coli Bakterien bewohnen aber auch den menschlichen Dickdarm und kommen somit in der Natur [biologisch!] vor.
E. coli K 12
E. coli K12 ist erstmals im Jahr 1922 aus dem Kot eines wiedergenesenen, vormals an Diphterie erkrankten Patienten, isoliert worden. Der Stamm enthält keine pathogenen Gene und kann sich nicht dauerhaft im menschlichen Darm festsetzen. Er wird daher in die Risikogruppe 1 eingestuft. Viele E. coli- Laborstämme sind Derivate des E. coli K12 und werden ebenfalls in die Risikogruppe 1 eingeordnet.
Der Bakterienstamm E. coli K12 wird aufgrund des Fehlens wichtige Gene für das Leben in der biologischen [natürlichen!] Umwelt als Sicherheitsstamm eingestuft, da er außerhalb von Genlaboratorien und somit auch DIY-Garagenlaboren nicht überlebensfähig ist. [2]
Nicht alle E. coli K12-Derivate sind Teile der „biologischen Sicherheitsmaßnahmen“[3],[4], allerdings sind sie zumindest der Risikogruppe 1 zugeordnet:[5]
Deutschland
E. coli-Stamm: AB311
Beschreibung: Hfr thr-1, leu-6, thi-1, str-8
Derivat: K12
Risikogruppe: 1
Biol. Sicherheitsmaßnahme: nein
Österreich
Escherichia coli außer nicht-pathogene Stämme
Risikogruppe: 2
Die Organismenliste (D) bzw das Gentechnikbuch (Kapitel 3) enthält alle bekannten E. coli-Stämme und deren Zelllinien, also die Spender- und Empfängerorganismen. Ist ein Organismus nicht in den Listen angeführt, erfolgt etwa in Deutschland die Kategorisierung nach den Kriterien der GenTSV. In Ö erfolgt die Einstufung der Schutzmaßnahmen zu einzelnen biologischen Arbeitsstoffen iSd § 40 Abs 5 ASchG[6] nach der VbA iVm § 2 Abs 6 ASchG (Verwendung), der zufolge nichtpathogene Stämme des E. coli, wie E. coli K 12, nicht in die Risikogruppe 2 mit Sicherheitsstufe 2, sondern in die Risikogruppe 1 mit Sicherheitsstufe 1 fallen, weil idR keine Infektionsgefährdung für die Beschäftigten zu erwarten ist.
§ 1 Abs 2 Z 1 VbA iVm § 40 Abs 5 ASchG schließen Mikroorganismen aus, die nicht „zur Vermehrung oder zur Weitergabe von genetischem Material fähig sind“, woraus zu schließen ist, dass die Suppression der Vermehrungsfähigkeit, etwa durch sehr niedrige oder sehr hohe Temperaturen, hohe pH-Grundwerte oder besondere Trockenheit, die Fähigkeit nicht ausschließt, sondern nur temporär hemmt. CRISPR/Cas9-Systeme können jedoch darauf abzielen, die Vermehrung von Mikroorganismen zu verhindern. DIY-Biologen* sind jedoch nicht vom Geltungsbereich des § 1 Abs 1 ASchG erfasst, allerdings ist der Verweis in § 1 Abs 1 auf § 2 Abs 6 ASchG materiell zu verstehen, wenn auch die Grundlage zur Beurteilung der Gefährdung von Mikroorganismen, und ob die VbA anzuwenden ist sich nach § 4 ASchG bemisst, also die der beruflichen Tätigkeit ausschlaggebend ist.[7]
Auf EU-Ebene gelten für Arbeiten mit GVO die Bestimmungen der SystemRL. In Ö ist das Arbeiten mit GVO im kleinen Maßstab in geschlossenen Systemen, wie dies beim Biohacking in DIY-Bio-Garagenlabors der Fall ist, durch den in Anlage 1 A)[8] und B)[9] zum GTG grob und in der Systemverordnung 2002[10] detailliert geregelt. In Anhang I sind hierbei die Kriterien gem § 6 GTG und in Anhang II die tabellarische Einschließungsstufe zwecks Sicherheitseinstufung angeführt.
Wenn sogar manche Naturwissenschafter* fälschlicherweise davon ausgehen, dass es sich beim E. coli um ein durchwegs »sicheres« Bakterium handelt, ist nachvollziehbar, dass auch DIY-Biologen* diesem Irrglauben aufsitzen.[11] Diese Fehleinschätzung ist hins der Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab eines DIY-Biologen* wesentlich.
Es gibt zahlreiche Stämme des E. coli, die höchst pathogen sind und bereits menschlichen Todesfälle (E. coli O157:H7) verursacht haben. Die meisten krankheitserregenden Stämme des E. coli sind zumindest der Risikogruppe 2 zugeordnet.[12]
EHEC Stämme gehören der Risikogruppe 3 an.
Das E. coli K12 ist ein nicht-pathogener Laborstamm, der im menschlichen Darmtrakt nicht überlebt und keine Toxine produziert. Das E. coli K12-Derivat ist der Risikogruppe 1 zugordnet und kann somit in Laboratorien (iSv geschlossenen Anlagen) der Sicherheitsstufe 1 nach § 5 Z 1 GTG eingesetzt werden.
Boviner Isolate von E. coli
Im Mai 2019 hat der ZKBS eine „Empfehlung zur Risikobewertung von bovinen Isolaten von Escherichia coli als Spender- oder Empfängerorganismen“ gem § 5 Abs 1 dGenTSV in Entsprechung zu § 6 Abs 2 Z 1 abgegeben[13] und die Bewertung der ECOR-Sammlung von E. coli-Stämmen vom Juni 2015 entsprechend erweitert.[14]
Stoffdatenbank (Stoffbibliothek) ist nicht national, sondern EU-harmonisiert zu führen und der BSN-VO (EG) einzugliedern. Selbst wenn in Detail ab und an naturwissenschaftliche Uneinigkeit bestünde, so sorgte ein europäisches Expertengremium für Rechtssicherheit, insb als experimentelle Daten verpflichtend als Entscheidungsgrundlage beizulegen sein sollten.
Genetische (biotechnol Arbeiten) der Risikogruppe 1
E. coli als Spender- und Empfängerorganismen:
131/07, 2772a, 3234/A, D6-117.07, D6-117.29, O157:H43 T22, RiKo 2299/09, RiKo 2305/09, RiKo 2308/09, RiKo 2331/09, RiKo 2340/09 und UVM2
Genetische (biotechnol Arbeiten) der Risikogruppe 2
E. coli als Spender- und Empfängerorganismen:
1303, AA86, D6-113.11, ECA-727, ECA-O157, ECC-1470, ECC-Z, MPEC4839, MPEC4969, O32:H37 P4, P4-NR, RiKo 2351/09 und W26.
DIY-Bio: Versuchsreihen mit E. coli
FB 211: Selbstklonierung nicht meldepflichtig
Eine Selbstklonierung, die gem § 2 Abs 2 Z 7 explizit vom Regime des GTG ausgenommen ist, stellt das Anlegen einer Genbank von E. coli B in E. coli K12 dar. Bei diesem Versuch sollen DNA-Fragmente des E. coli B geklont werden, indem die sog »Shot gun-Methode« angewandt wird.[15]
Diese Methode ist anerkannt und läuft nach einem altbewährten Schema ab.
Zum Einsatz gelangen:
- ein Spenderorganismus der Risikogruppe 1,[16]
- ein Empfängerorganismus Risikogruppe 1 und[17]
- ein Vektor der Risikogruppe 1.[18]
Beurteilung des BMG aus Jahre 2010:
„Durch das Klonieren von DNA-Fragmenten eines Spenderorganismus der Risikogruppe 1 in einen Empfängerorganismus der Risikogruppe 1 kommt es zu keiner Erhöhung des Gefährdungspotenzials des GVM im Vergleich zu dem Empfängerorganismus. Der GVM, in diesem Fall der gentechnisch veränderte E. coli K12, kann daher in die Risikogruppe 1 eingestuft werden.“
Im Ergebnis liegt ein GV-Produkt [19] vor. Das GV-Verfahren selbst wird anderseits als Selbstklonierung nicht-pathogener, natürlich vorkommender Mikroorganismeneingestuft. Es liegt nach § 2 Abs 2 Z 7 GTG eine Sonderbestimmung für ein »gentechnisches Verfahren« vor, das, unter der Prämisse der Nicht-Freisetzung und des Nicht-In-Verkehr-Bringens des hervorgebrachten GVO, die Versuchsreihe nicht meldepflichtig macht.
FB 212: Selbstklonierung meldepflichtig
Versuche unter Verwendung eines »Blue Genes-Kits« werden als vom GTG umfasst angesehen, sofern etwa eine Genbank eines Wildtypus des E. coli angelegt wird. Der Wildtypus E. coli (Neuisolat) trägt Pathogenitäts-Gene und ist der Risikogruppe 2 zugeordnet.[20] Klonieren einzelner DNA-Fragmente mit der „Shot gun-Methode“ in E. coli K12.
Beim Spenderorganismus handelt es sich um einen pathogenen, natürlich vorkommenden Organismus, was eine Meldepflicht nach sich zieht, weil die Gesamteinstufung jene der Sicherheitsstufe 2 beträgt.
Zum Einsatz gelangen:
- ein Spenderorganismus der Risikogruppe 2 (ggfs höher),[21]
- ein Empfängerorganismus Risikogruppe 1 und[22]
- ein Vektor der Risikogruppe 1.[23]
FB 213: E. coli: Versuchsreihe 1
Die Kommission hat festgehalten, dass die Versuchsreihe eine gentechnische Arbeit gem § 3 Abs 2 GenTG war und der „Empfängerorganismus E. coli K12“ iSd § 6 Abs 4 GenTSV als Teil einer biologischen Sicherheitsmaßnahme der Risikogruppe 1 zuzuordnen sei.
Eine nähere Begründung, warum es sich um eine gentechnische Arbeit handle, hat sie nicht abgegeben, sondern lediglich auf besagten § 6 Abs 4 GenTSV verwiesen.
Im Zusammenhang mit E. coli K12hat die ZKBS bereits in einer Stellungnahme aus dem Oktober 2009 festgehalten:
„E. coli K12 ist in die Risikogruppe 1 eingeordnet und seit langem als biologische Sicherheitsmaßnahme anerkannt.“[24]
Die Kommission betont, dass E. coli K12 keine „spezifischen Pathogenitätsmerkmale“ enthielten. Das E. coli K-12[25] sei ein „apathogenes natürliches Isolat“ und ein weltweit eingesetztes Forschungsbakterium; nicht bloß in Genlaboratorien.[26]
- Vgl RÖMPP Lexikon Umwelt, 2. Auflage, 283(915). ↑
- Vgl [cc 782]; Käppeli O., Bio- und Gentechnologie: Technikbeurteilung geschlossener Systeme, vdf Hochschulverlag AG, Zürich 1994, 69 (119). ↑
- Biologische Sicherheitsmaßnahmen haben zum Ziel, das Risiko der Vermehrung gentechnisch veränderter Organismen außerhalb der Laboratorien und Sicherheitsgewächshäuser zu verhindern bzw. zu vermindern. ↑
- http://wiki.phytomedizin.org/wiki/Biologische_Sicherheitsma%C3%9Fnahme ↑
- S Register der Escherichia coli-Empfängerstämme für gentechnische Arbeiten des BVL, Details des E. coli-Stamms: AB311, Cavalli Hfr, DH10Bac, S17, S17-1 lambda pir, SM10, ß2163. ↑
- ASchG – Bundesgesetz über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz), stF: BGBl Nr 450/1994 idF BGBl Nr 457/1995, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 100/2018. ↑
- „[…] Neben den Arbeitnehmer/innenschutzvorschriften, wie ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, Verordnung biologische Arbeitsstoffe, Verordnung über die Gesundheitsüberwachung am Arbeitsplatz, Kennzeichnungsverordnung, Arbeitsstättenverordnung etc.,“ sind „in den jew Bereichen auch andere Vorschriften, wie z.B. Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe, Landesgesetze, Hygienerichtlinien, Bundeskrankenanstaltengesetz, Abfallwirtschaftsgesetz, Tierseuchengesetz, EU-Richtlinien, etc.[…]“ zu beachten, siehe Arbeitsstoffe, Biologische Arbeitsstoffe, Einstufung, Schutzmaßnahmen, Branchenbeispiele, Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz (Hrsg), Februar 2009. ↑
- „A) Arbeiten mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen (GVM)“. ↑
- „B) Arbeiten mit gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren“. ↑
- Systemverordnung 2002 – Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über die Sicherheit bei Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen in geschlossenen Systemen, stF: BGBl II Nr 431/2002. ↑
- Vgl ZKBS, Stellungnahme Az 6790-10-57 (2009): „Einige Stämme, die als enteroinvasive E. coli (EIEC), enteropathogene E. coli (EPEC), enterotoxische E. coli (ETEC) und enterohämorrhagische E. coli (EHEC) bezeichnet werden, verursachen intestinale Erkrankungen mit Diarrhoe, andere Stämme führen zu extraintestinalen Erkrankungen wie z.B. Harnwegsinfektionen, Peritonitiden, Meningitiden bei Neugeborenen, Septikämien.“ ↑
- Vgl Hofmann F., Tiller F.-W., Praktische Infektiologie: Erreger, Diagnose, Therapie, Prävention, ecomed-Storck GmbH, 2012, 80 f (461): Enterohämorrhagische E. coli (EHEC), enteropathogene E. coli (EPEC), enterotoxinbildende E. coli (ETEC) und enteroinvasive E. coli (EIEC), enteroaggregative E. coli (EAEC) sowie diffus adhärente E. coli (DAEC). ↑
- Vgl ZKBS, Az 45241.0186, vom 08.05.2019. ↑
- Bewertung der ECOR-Sammlung von E. coli-Stämmen ↑
- S dazu die ausführliche Darstellung des BMG Abteilung II/B/15, Informationen für BBS, KBS, und Projektleiter; Arbeiten mit GVO im geschlossenen System vom Juli 2010, 31f. ↑
- Vgl ZKBS, Az 45241.0145, Juni 2015. ↑
- Kap XXI. A. »E. coli K 12«, S. XXI:43 ff.. ↑
- Sicherheitsvektor pBR322: „Die Kombination von E. coli K12 und Derivaten mit pBR322 und Derivaten wird auch als biologische Sicherheitsmaßnahme anerkannt.“, vgl ebda. ↑
- Rekombinanter E. coli K12 aus der Risikogruppe 1. ↑
- EHEC Stämme sind sogar in die Risikogruppe 3** einzuordnen. ↑
- Pathogener Wildtypus eines E. coli Neuisolat). ↑
- E. coli K12. ↑
- Sicherheitsvektor pBR322. ↑
- Az. 6790-10-57 in der geänderten Fassung von Oktober 2009: Stellungnahme der ZKBS zu gentechnischen Arbeiten mit enterohämorrhagischen E. coli Stämmen (EHEC). ↑
- Ebenso wie seine Derivative: DH5alpha, TOP10, etc. ↑
- Vgl Adelmann, Schulze-Halberg, Arbeitsschutz in BioTech und Gentechnik, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York 2013, 191 ff (538). ↑