Abstract

Biopatente prägen die Rahmenbedingungen biowissenschaftlicher Forschung. Sie gleichen die Austauschprozesse unter Wissenschaftlern und mit anderen Gesellschaftsbereichen den Marktmechanismen an. Diese ökonomisierten Rahmenbedingungen generieren neben neuen Anforderungen und Finanzierungsmöglichkeiten für die Wissenschaftspraxis auch Ineffizienzen in der Wissensgenese und im Wissenstransfer. Veröffentlichung, Vertraulichkeit des Peer-review-Verfahrens, Offenlegung von Daten) werden teilweise unterlaufen. Neben wissenschaftliches und ökonomisches Struktur b versagen treten ethische Mängel. Insbesondere wird verhinderbares Leiden zugelassen, indem die Entwicklung möglicher Therapeutika oder ertragreicher Nahrungsmittelpflanzen verzögert oder verhindert wird.
Jan-Hendrik Heinrichs

Einleitung

Neben Patenten auf Software sind Biopatente der umstrittenste Schutz geistigen Eigentums in der gegenwärtigen Debatte. Unter dem Begriff ‚Biopatente‘ werden Patente auf biologische Organismen und deren Bestandteile wie Proteine, DNA-Sequenzen etc. thematisiert. Wie der Gegenstandsbereich, so sind auch die damit verbundenen Problemstellungen durchaus uneinheitlich. Neben den ethischen Fragestellungen, die sich mit Patenten im Allgemeinen verbinden, generieren Patente auf einige spezielle Produkte oder Verfahren eigene moralische Bedenken. Im Folgenden wird es darum gehen, einen Bereich der einschlägigen moralischen Schwierigkeiten der unter dem Titel ‚Biopatente‘ zusammengefassten Schutzrechte aufzuführen und zu bewerten. Während die in populären Debatten geäußerten moralischen Einwürfe gegen diese Patente zumeist um die Kommodifizierung von Leben kreisen, werden hier ethische Erwägungen zu den Konsequenzen für die einschlägigen Wissenschaften im Mittelpunkt stehen. Die Umgestaltung rechtlicher und ökonomischer Rahmenbedingungen verlangt jeder betroffenen Wissenschaft umfangreiche Anpassungsbemühungen ab. Die Auswirkungen solcher juristischer und ökonomischer Regelungen können anhand von Biopatenten sowie der dynamischen Entwicklungen in den Biowissenschaften und ihrem ökonomischen Umfeld exemplarisch aufgezeigt werden.

Was fällt alles unter ‚Biopatent‘?

Die für den Begriff ‚Biopatent‘ angeführten Beispiele sind durchaus divers. Patente auf Gensequenzen, auf gentechnisch veränderte Organismen, auf isolierte Zelllinien, auf Pflanzen mit bestimmten Eigenschaften und viele weitere werden unter diesem Oberbegriff abgehandelt. Als gemeinsames Merkmal könnte gelten, dass der Patentschutz sich auf Klassen von Organismen oder von Teilen von Organismen bezieht. Für den anliegenden Diskussionskontext wird die Gemeinsamkeit des Phänomenbereichs jedoch dadurch konstituiert, dass es sich durchweg um Patente auf Ergebnisse der modernen Biowissenschaften handelt. In der Debatte wird nicht immer unterschieden, ob es sich bei der potentiellen Schutzsache um bereits bekannte, in der Natur vorkommende Organismen und deren Teile handelt oder um neue, nicht durch natürliche Selektion entstandene Wesen. Einige moralische und rechtliche Einwürfe, wie etwas derjenige, die DNA-Struktur eines Organismus sei eine Entdeckung und keine patentierbare Erfindung, können sich nur auf natürliche Organismen beziehen. Andere Bedenken wie etwa die Sorge, hybride Wesen verstießen gegen die Moralität oder den
ordre public und seien deshalb nicht patentierbar, beziehen sich nur auf nicht ohne menschliches Zutun in der Natur vorkommende Lebewesen. In beiden Fällen gehört die wissenschaftliche Tätigkeit, die die patentierbare Sache generiert, den Biowissenschaften an. Dennoch gilt es zu differenzieren, welche Art wissenschaftlicher Tätigkeit zu den jeweiligen Ergebnissen geführt hat. Werden bereits in der Natur vorkommende Organismen erforscht, so agieren Biowissenschaftler in anderer Weise, als sie dies bei der Konzeption neuer Lebensformen oder organischer Strukturen tun.

Was bedeutet ‚ethische Problemfelder von Biopatenten‘?

Die ethischen Problemfelder, die im Kontext der Patente auf Leben oder Bio-patente diskutiert werden, treten nicht lediglich deshalb auf, weil die jeweiligen Produkte oder Verfahren patentiert werden, sondern sie werden diesen Produkten oder Verfahren direkt zugeschrieben. Es gilt daher, mehrere Ebenen der entsprechenden Probleme zu differenzieren und sich thematisch zu beschränken. Zahlreiche Bedenken, die im Kontext der Biopatent-Debatte wieder aufgeworfen werden, betreffen eigentlich die zugrunde liegende Wissenschaft und Technik bzw. deren Erfolge. Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass die Patentierung einer moralisch problematischen Sache deren moralischen Lasten erbt; dies gilt es, im Weiteren erst zu prüfen. Sollten Biopatente die vermeintlichen Probleme der Technologie nicht erben, können ihnen gegenüber auch keine Einwände aufgrund der-selben formuliert werden. Falls sie diese jedoch erben, gelten für sie dieselben Vor-behalte, die in der bioethischen Diskussion der jeweiligen Technologien aufgeworfen werden. Im Fokus dieses Artikels stehen von dieser umfangreicheren Gruppe nur die wissenschaftsethisch relevanten Probleme.
Im Mittelpunkt stehen hier Probleme, die sich erst durch die Patentierung der fraglichen Sache ergeben. Während oft davon ausgegangen wird, dass die Patentierung einer Sache dieser einen besonderen Schutzstatus einräumt und dadurch eine entsprechende Akzeptanz dieser Sache ausdrückt, ist auch die Gegenposition denk-bar, der zufolge das Patentrecht als Instrument verwendet werden kann, um bestimmte Erfindungen durch Lizenz- oder Genehmigungsverweigerung aus dem öffentlichen Verkehr zu ziehen. Darüber hinaus muss aber auch mit Problemen der Biopatentierung gerechnet werden, die nicht auf die Patentierung einzelner Sachen, sondern auf die Patentpraxis allgemein zurückzuführen sind. Sie bilden den dritten Themenkomplex der ethischen Analyse. Bevor die ethischen Problemfelder aufgerollt werden, sollen hier einige vor-bereitende Differenzierungen etabliert werden.

Differenzierungen: Eigentum, Patente, Genehmigungen, Lizenzen

Vielfach wird die Sorge geäußert, Biopatente ermöglichten es, dass Einzelpersonen nicht mehr Eigentümer ihres eigenen Körpers oder von dessen Bestandteilen seien oder dass ganze Spezies in die Verfügung irgendeines Eigentümers übergingen. Diese Sorge resultiert aus einer Verwechslung von Eigentumsrechten und Patent-rechten. Eigentum ist üblicherweise das Recht an einem Token, also einem spezifischen Einzelding innerhalb einer Klasse von Dingen. Es erlaubt, über diese Sache inner-halb der gesetzlichen Beschränkungen nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auf die Sache auszuschließen.
Patente hingegen sind Rechte an einem Typ, d.h. an einer Klasse von Gegenständen. Sie erlauben dem Patentinhaber, andere von der Herstellung und kommerziellen Nutzung von Gegenständen dieser Klasse auszuschließen. Eigentumsrechte sind immer an die jeweiligen Individuen gebunden, so auch bei Eigentum an Organismen. Dass Personen Tiere oder andere Lebewesen zu eigen haben können, ist nicht neu. Allerdings können sie dies eben nur bei einzelnen Tieren und gerade nicht – mit Ausnahme wirklich exotischer Fallkonstruktionen – bei einer ganzen Spezies. Eigentum an einer Spezies ist nicht möglich, bestenfalls könnte eine Person das Eigentum an allen Exemplaren einer Spezies erwerben.
1 Für Diskussionen anderer Einwände gegen Biopatente vgl. insbesondere RIPPE 2003.
2 Vgl HANSON 2002, 170 ff.; BROM 2003.
3 Im deutschen Recht: § 903 BGB.

Die mit einem Patent einhergehenden Rechte sind gerade nicht dieselben wie Eigentumsrechte. Eine Person, die ein Patent auf eine Tierspezies hat, verfügt deshalb nicht über das Recht, Mitglieder dieser Spezies zu produzieren oder zu verkaufen oder anderweitig zu verwerten, solange sie nicht auch eine Genehmigung hierfür erhält. Allerdings erlöschen nicht alle Rechte des Patentinhabers an Tieren oder Pflanzen mit dem Verkauf eines oder mehrerer Exemplare. Vielmehr behält er das Recht, die Reproduktion dieser Organismen zu verbieten, wenn nicht „die generative oder vegetative Vermehrung notwendigerweise das Ergebnis der Verwendung ist, für die das biologische Material in Verkehr gebracht wurde“.

Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, in: ABl L 213/13(30. Juli 1998), § 10

Patente und Genehmigungen gilt es ebenso auseinanderzuhalten wie Eigentum und Patente. Staatliche Genehmigungen erlauben Personen, Individuen eines Typs kommerziell zu nutzen, d.h. zu produzieren, zu verkaufen, zu vermieten etc. Welche Rechte genau durch eine Genehmigung unter welchen Bedingungen eingeräumt werden, hängt vom patentierten Gegenstand ab, denn Genehmigungen werden durch die je bereichsspezifischen Gesetze geregelt (beispielsweise das Arzneimittelgesetz oder das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetz). Es ist also durchaus denkbar, dass eine Person zwar das Patent auf ein Produkt oder Ver-fahren erhält, damit berechtigt ist, andere von der kommerziellen Nutzung desselben auszuschließen, aber selbst kein Recht erhält, das fragliche Produkt auch nur zu produzieren, geschweige denn zu vermarkten. Zuletzt gilt es noch, Lizenzen abzugrenzen. Lizenzen sind Nutzungserlaubnisse, die ein Patentinhaber einem Vertragspartner einräumt. Dies kann im Rahmen privatrechtlicher Verträge gegen zahlreiche Formen von Gegenleistungen, exklusiv oder nicht-exklusiv, geschehen. Eine besonders im Rahmen biotechnologischer Forschung beliebte Gegenleistungsforderung sind die sogenannten Reach-through-Rechte, die im Weiteren diskutiert werden.

Die Rechtfertigung von Patenten

Die Patentrechte unterschiedlicher Rechtstraditionen unterscheiden sich nicht nur in Details der Schutzrechte und schützbaren Sachen, sondern auch in der Rechtfertigung dafür, überhaupt Patente zu gewähren.

Zu den klassischen Patenttheorien vgl. GODT 2007, 515 ff.

Rechtliche Dokumente lehnen sich beispielsweise an die sogenannte Eigentumstheorie (auch Naturrechtstheorie) an, die weitgehend auf der Idee des Schutzes geistigen Eigentums basiert. So heißt es in der Präambel der Pariser Übereinkunft, die Unterzeichnerstaaten seien „von dem Wunsche beseelt, die Rechte des gewerblichen Eigentums möglichst wirksam und einheitlich zu schützen“.

Pariser Übereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums , revidiert in Lissabon am31. Oktober 1958, Präambel.
Dagegen steht die Anreiztheorie, die in Patenten einen Ansporn für die Entwicklung nützlicher Technologien sieht. Eine exemplarische Formulierung aus der US-Verfassung in Art. 1 Sect. 8 lautet: „The Congress shallhave power […] to promote the progress of science and useful arts, by securing forlimited times to authors and inventors the exclusive right to their respective writingsand discoveries.“
United States Constitution, Art. 1 Sect. 8
Diese Passage wird heute primär so ausgelegt, dass das Ziel des Patentrechts in der Schaffung neuer Industrien und Technologien liegt. Von den Wissenschaften und von Autoren ist dabei nicht mehr die Rede. Weitere rechtfertigende Theorien des Patents sind die Belohnungstheorie und die Offenbarungs- oder Vertragstheorie. Eine eindeutige Zuordnung von Patent-Rechtfertigungstheorien zu Rechtssystemen ist problematisch, weil sich Begründungen aus unterschiedlichen Theorien in demselben Rechtsraum finden. So wird beispielsweise im ersten Patentgesetz von Venedig – ebenso wie in den zuvor gängigen Handels- und Produktionsprivilegien – mit dem gesellschaftlichen Nutzen der geschützten Erfindungen und zugleich mit dem geistigen Eigentum bzw. der Ehre des Erfinders argumentiert.
BERKENFELD 1949.
Ebenso hat die frühe US-Patentvergabe durchaus die Zusprache geistigen Eigentums von der Moralität des gestifteten Nutzens der jeweiligen Erfindungen abhängig gemacht, wie auch auf die in der Verfassung niedergelegte Anreizorientierung geschaut
United States Circuit Court for the District of Massachusetts (1817): Bedford vs. Hunt, 3 FCas 37.
 Wie im Folgenden dargelegt werden wird, ist die beste Erklärung – im Gegensatz zur Rechtfertigung – patentrechtlicher Reglungen der Schutz bestimmter Interessen. Im modernen Patentrecht handelt es sich dabei primär um die Interessen von Forschungsinvestoren und das Interesse der Gesamtgesellschaft, an der Nutzung von Forschungsleistungen zu partizipieren  ist.
Convention on the Grant of European Patents (European Patent Convention, EPC), Art. 52 (1)
In den USA gilt als patentierbar, was neu ist, dessen Herstellbarkeit nicht offensichtlich war und was nützlich (useful) ist.
United States Code Title 35 – Patents  Sec. 101-103.
Erfinderischer Schritt und Nicht-Offensichtlichkeit werden weitgehend gleich ausgelegt, allerdings umfasst der Begriff ‚nützlich‘ in der gängigen Auslegung einen weiteren Bereich als ‚industriell verwertbar‘. Die Patentvergabe wird in Europa begrenzt durch explizite Einschränkungen des Schutzgegenstandes im regionalen Völkerrecht der European Patent Convention (EPC) des Europarates. Dort heißt es in Art. 53:
„European patents shall not be granted in respect of:(a) inventions the publication or exploitation of which would be contrary to‘ordre public’ or morality, provided that the exploitation shall not be deemed tobe so contrary merely because it is prohibited by law or regulation in some or allof the Contracting States;(b) plant or animal varieties or essentially biological processes for the productionof plants or animals; this provision does not apply to microbiological processesor the products thereof.“ (Art. 53 EPC)
Und zuvor in Art. 52 (4): „Methods for treatment of the human or animal body by surgery or therapy anddiagnostic methods practised on the human or animal body shall not be regardedas inventions which are susceptible of industrial application within the meaning of paragraph 1. This provision shall not apply to products, in particular sub-stances or compositions, for use in any of these methods.“

Biopatente unterliegen zudem der Europäischen Biopatentrichtlinie, mit der die Europäische Union Vorgaben zur bereichsspezifischen Harmonisierung erlassen hat. Die einschlägigsten Art. 3 bis 7 dieser inhaltlich engeren Regelung klären detailliert, worauf Patente möglich sind. Dort werden von der Patentierung ausgenommen: Pflanzensorten und Tierrassen, im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren, Erfindungen, deren Ausführung technisch auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist (Art. 4), der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens (Art. 5), Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen, Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn eines menschlichen Lebewesens, die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken, Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere (Art. 6).In den meisten Staaten Europas gilt zudem ein Forschungsprivileg, dem zufolge die Nutzung patentierter Erfindungen zu Forschungszwecken nicht unter den Patentschutz fällt.

Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Biopatentrichtlinie) , in: Amtsblatt der Europäischen Union, L 213/13 (30. Juli 1998).
Die  European Patent Convention (EPC) lässt nationale Regeln wie das Forschungsprivileg in Art. 64 explizit zu. Bis auf Österreich haben alle europäischen Staaten ein Forschungsprivileg nach dem Vorbild des  Agreement relating toÂCommunity patentsÂin ihr Patentrecht übernommen, dem zufolge der Patentschutz nicht verletzt wird durch „acts done for experimental purposes relating to the subject-matter of the patented invention“.
Agreement relating to Community patents, done at Luxembourg on 15 December 1989(89/695/EEC), Official Journal L 401, Art. 27b.
Diese Formulierung differenziert nicht zwischen Akteuren der fraglichen Akte und erlaubt damit prinzipiell auch Forschungs-ausnahmen für industrielle Forschung. Das Forschungsprivileg deckt allerdings die Verwendung der patentierten Sache als Forschungsmittel nicht ab. Die Patentierung  von DNA-Sequenzen erlaubt daher die Anwendungsbeschränkung bei deren Verwendung als Forschungsinstrumente. Damit ist das Forschungsprivileg auf Forschung reduziert, die sich auf den Gegenstand eines Patents richtet, um dessen Verwendbarkeit zu prüfen oder ihn weiterzuentwickeln.
Vgl. §11 Abs. 2 Patentgesetz (PatG); vgl. auch GODT 2007, 127 und 191 f. Laut deutschem Patentgesetz (PatG) sind auch Forschungstätigkeiten, die sowohl privat wienicht-kommerziell geschehen, von der Patentwirkung ausgenommen (§11 Abs. 1 PatG).Daraus folgt aber nicht, dass patentierte Forschungsmittel privaten Forschern jenseits von Lizenzen zur Verfügung gestellt werden müssen.
 In den USA gilt ein sehr enges Forschungsprivileg, welches gemäß Amendment 11 der Verfassung lediglich staatlichen Universitäten Immunität vor Patent- verletzungsklagen einräumt. Nicht-staatliche Universitäten genießen gemäß der Entscheidung im Fall  Madey vs. Duke University kein Forschungsprivileg.
United States Court of Appeals for the Federal Circuit (2002):  Madey vs. Duke University ,307 F.3d 1351.
Dies kann unter anderem damit erklärt werden, das nicht-staatliche Universitäten Marktteilnehmer wie andere privatwirtschaftliche Organisationen sind und durchaus selbst Patente in Anspruch nehmen und gerichtlich verteidigen. Das darüber hinausgehende Therapieprivileg des Art. 27c des
Agreement relating to Community patents  ist außerhalb Europas nicht verbreitet. Ihm zufolge gelten auch weder „the extemporaneous preparation for individual cases in a pharmacy of a medicine in accordance with a medical prescription nor acts concerning the medi-cine so prepared“ als Patentverletzung.
Art. 27b Agreement relating to Community patents 
Im Gegensatz zu Europa kennen die USA eine Schutzfrist, binnen derer nach Veröffentlichung ein Patentantrag eingereicht sein muss. Damit ist die wissenschaftliche Veröffentlichung dort nicht in demselben Maße neuheitszerstörend, wie sie es in Europa ist. Als letzte wichtige Differenz ist festzuhalten, dass das Einspruchsrecht gegen Patente in den USA nur bei Personen liegt, deren Interessen durch das jeweilige Patent geschädigt sind. In Europa hingegen kann ein Patent von jedermann angefochten werden, sofern das Patent nach European Patent Convention (EPC)
angemeldet wurde. Ein erfolgreicher Einspruch in den USA erlaubt einer Person, die die jeweilige Erfindung früher gemacht hat, das Patent zu übernehmen, in Europa werden die betroffenen Teile des Patents damit hinfällig.

Instrumente erzielbar, aber dennoch Interessen von gesellschaftlichen Gruppen, die verlangen, in der Vergabestruktur von Patenten berücksichtigt zu werden. Die gleichberechtigte Verwendung deontologischer bzw. autonomieethischer und konsequentialistischer Positionen begründet sich aus der je unterschiedlichen Stoßrichtung dieser beiden Ethikmodelle. Gerade weil diese für verschiedene Aspekte moralisch relevanter Phänomene sensibel sind, kann nur davon profitiert werden, beide heranzuziehen. Neben diesen allgemeinethischen Modellen wird auf Theorien aus der Wohlfahrtsökonomie

Vgl. NELSON 1959; ARROW 1962. Eine Diskussion der Ansätze findet sich auch in EISENBERG, 2006.

sowie Theorien aus der politischen Philosophie, insbesondere auf Theorien der Verteilungsgerechtigkeit zurückgegriffen. Der wohlfahrtsökonomische Theorieansatz geht auf die Arbeiten von Arrow und Nelson zurück. Diese beschäftigen sich primär mit der Ressourcenallokation zugunsten von Forschung. Demnach tendieren Privatinvestoren dazu, unterhalb des Niveaus maximalen kollektiven Nutzens in Forschung zu investieren. Ein zentraler Grund hierfür sei die mangelnde Möglichkeit, Forschungsergebnisse, gerade der Grundlagenforschung, in private Verfügung zu überführen. Patente können als ein Mittel angesehen werden, diesen Mangel abzustellen. Allerdings resultiert die Überführung von Forschungsergebnissen in Privatverfügung darin, dass diese Ergebnisse suboptimal genutzt werden und damit weiterer kollektiver Nutzen nicht realisiert wird. Während Nelson und Arrow die Allokation zugunsten von Forschung als lediglich durch öffentliche Investition effektiv zu bewerkstelligen ansahen, ist der gegenwärtige politische Trend, den benötigten Ressourcenfluss durch die Ausweitung des Gegenstandsbereichs von geistigen Eigentumsrechten zu befördern. Die Theorie Arrows und Nelsons wird insbesondere in Fragen der Wissenschaftsethik relevant, die thematisieren, wie sich die Biopatentierung auf die Wissenschaftspraxisauswirkt.

Ethische Diskussion: Wissenschaftsethische Belange

Interpretiert man Wissenschaft als soziale Praxis, die sich über ihre Ziele und ziel-inhärenten Normen bestimmt, kann man gut aufzeigen, welchen Einfluss patent-rechtliche Regelungen auf die einschlägigen Wissenschaften gewinnen können.

Zum Begriff einer Praxis vgl. MACINTYRE 1995, 251 f., zu den zielinhärenten Normen ibid., 247

Wird eine soziale Praxis durch ihre Ziele – im Falle der Wissenschaft primär die Gewinnung von Wissen über den jeweiligen Themenbereich – und die zielinhärenten Normen und Mittel bestimmt, so wird eine Veränderung der Ziele auch die Gesamtpraxis verändern. Die Unterschiede, welche durch Ziele und Praxisnormengeneriert werden, lassen sich mit Blick auf unterschiedliche Wissenschaften gut verdeutlichen. Während Teile der modernen Physik und Mathematik sich neben dem Wissensgewinn auch einigen ästhetischen Normen wie Symmetrie, Einfachheit, mathematische Eleganz verschreiben, werden weite Bereiche der Ingenieurswissenschaften von instrumentellen und ökonomischen Zielen mitbestimmt. Entsprechend unterschiedlich sind die Publikations- und Kooperationsgepflogenheiten in diesen Disziplinen. Die Rahmenbedingungen einer wissenschaftlichen Disziplin hängen unter anderem von dem ökonomischen Potential des darin generierten Wissens ab. Patentierbarkeit wiederum macht in der Frage ökonomischen Potentials einen erheblichen Unterschied. Gemäß der oben kurz diskutierten ökonomischen Theorie ermöglicht die Einführung von exklusiven Rechten an Wissen, dieses in die private Verfügung zu überführen. Mit dem Transfer in Privatverfügung wird die Produktion und Verwertung von Wissen marktförmig organisierbar, so erlauben exklusive Verwertungs-rechte gewinnträchtige Vermarktung und motivieren private Investitionen in die Wissensproduktion. Die Biowissenschaften wurden und werden somit durch die Patentierbarkeit von Ergebnissen ihrer Grundlagenforschung einer erheblichen Veränderung unterzogen, die ihnen Ähnlichkeit eher mit den Ingenieurswissenschaften als mit der Physik verleiht. Als ein Anzeichen für diese Veränderung können gerade auch neue Disziplinnamen wie ‚Bioengineering‘ gedeutet werden. Die folgenden Erwägungen beleuchten die Art und die Konsequenzen dieser Veränderungen, besonderes Augenmerk liegt dabei auf möglicherweise resultierenden Ineffizienzen und Versagen der verflochtenen wissenschaftlichen und marktförmigen Kooperations- und Austauschstrukturen.

Ökonomisierung

Einem eher kulturkritischen Bedenken nach greifen ökonomische Strukturen in Gesellschaftsbereiche über, für die diese nicht geeignet seien. So werde eine Handlungs- und Gratifikationsregel für industrielle Märkte auf die wissenschaftliche Praxis ausgedehnt. Die Regel berechtigt den Produzenten einer Sache dazu, diese exklusiv am Markt zu verwerten. Diese Regel wird in der wissenschaftlichen Praxisdahingehend adaptiert, der Produzent von Wissen sei berechtigt, dieses exklusiv am Markt zu verwerten. Ein augenfälliger Unterschied zwischen den Geltungsbereichen dieser beiden Regeln besteht darin, dass Wissen anders als ein Produkt keiner inhärenten Benutzungsbeschränkung unterliegt. Dieser Umstand lässt sich in den Begriffen der Wohlfahrtsökonomie so fassen: Die Grenzkosten der Nutzung bestehenden Wissens sind null, die Grenzkosten der Nutzung eines existierenden Produkts sind durch den Nutzungsausschluss anderer Personen gegeben. Ein Produkt kann zugleich nur durch eine bestimmte Zahl von Personen verwendet werden, eine Idee durch beliebig viele. Daraus folgt, dass, wer ein Produkt gegen den Willen des Produzenten benutzt, diesen der Nutzungsmöglichkeit desselben beraubt. Seine Idee gegen den Willen des Wissensproduzenten zu nutzen, bedeutet lediglich, ihn der Möglichkeit zu berauben, diese Idee allein wirtschaftlich zu verwerten. Diese Verletzungen, wenn Letzteres denn eine ist, treffen unterschiedliche Rechte. Das Recht der Produzenten an seinem Produkt ist ein sehr ursprüngliches Eigentumsrecht (will man eine Locke’sche Eigentumstheorie verwenden, sogar das ursprünglichste Eigentumsrecht). Das Recht des Wissenschaftlers an der Vermarktung seines neuen Wissens ist ein Monopolrecht. Sein Eigentum an diesem Wissen kann ihm nicht geraubt werden, denn dass ein anderer sein Wissen verwendet, hindert ihn nicht daran, es ebenfalls zu benutzen. Die Übertragung der Maxime von Produktion und Vermarktung auf wissenschaftliche Kontexte führt also mindestens zu Disanalogien. Diese Disanalogie wird – zumindest so die Befürchtung einiger Patentgegner – stärker, sobald man darauf schaut, wer denn die jeweilige neue Idee ökonomisch verwertet. Die Regel laute leider oft, wessen Angestellter das Wissen produziert habe, der dürfe dieses Wissen auch exklusiv am Markt verwerten. Patente kämen primär Institutionen, nicht aber Erfindern zugute. Während dies im Produktions-falle völlig angemessen sei – immerhin sei moderne Produktion ja nur im Verbundeiner Organisation möglich –, würde die zentrale Position der erfinderischen Einzelperson damit vernachlässigt. Dies ist dahingehend zu relativieren, dass gerade Erfindungen, die in Biopatenten resultieren, vom wissenschaftlichen Umfeld, dem Forscherteam, dessen Laborausstattung etc. abhängen. Einzelforschung, geschweige denn unabhängig finanzierte Einzelforschung, stellt nicht zuletzt durch die immer engere Vernetzung von Forschungsinstitutionen und die Komplexität der Themenfelder mittlerweile die Ausnahme dar. Wer aber dennoch darauf beharren will, hier würden Gratifikationen in die falsche Richtung fließen, wird darauf hinweisen, dass Produktionsanlagen industrieller Produktion die Erzeugnisse weit stärker determinierten als das Forschungsumfeld wissenschaftliche Ergebnisse. Eine eng verwandte, verbreitete Kritik an Biopatenten – und am Patentsystem insgesamt – besteht darin, diese begünstigten ein System ökonomischer Interaktion, welches Akteuren mit bereits hoher Ressourcenausstattung zusätzliche Vorteile verschaffe. Die Kosten eines Patentverfahrens und insbesondere der späteren Verteidigung des Patentes schließe kleinere Mitbewerber auch dann aus, wenn sie erfolgreiche Forschung leisteten. Allerdings muss in Rechnung gestellt werden, dass der Anteil der Patentanmeldungen im Biotechnologiesektor auf Seiten kleinerer Markt-und Forschungsteilnehmer zunimmt, während er bei den Großkonzernen sinkt. Ebenso bemerkenswert ist, dass laut OECD 2004 ziemlich genau die Hälfte (50,1%)der biotechnologischen Forschungs- und Entwicklungsleistung im privatwirtschaftlichen Bereich Deutschlands durch Firmen mit weniger als 50 Mitarbeitern erbracht wurde (OECD 2006, 18).

Inwieweit es sich hier um einen nationalen Sonderfall handelt oder wie weit diese Daten sich über die Zeit und die nationalen Strukturen hinweg verallgemeinern lassen, ist wiederum eine empirische Frage. Die Daten der OECD geben hier-bei teilweise Auskunft und zeigen eine doch relevante Streuung. So beläuft sich der oben genannte Anteil der Forschungs- und Entwicklungsleistung kleiner Firmen in den USA gerade mal auf 9,3%, und der Anteil im deutschen Fall ist international mit Abstand der höchste. Die Anpassungen des Patentsystems durch die Biopatentrichtlinie offenbarten Kommodifizierung als primären Zweck dieses Rechtsbereiches. Dieses Ziel ist damit zu erklären, dass marktförmiger Transfer zunehmend als idealtypisches Instrument zur Bereitstellung von Ergebnissen und Leistungen einzelner Gesellschaftsbereiche für die Gesamtgesellschaft gilt.

Dieser Logik beugen sich gerade auch die nationalen und internationalen forschungspolitischen Maßnahmen. Dass im Hochschulrahmengesetz Technologietransfer als Ziel der Universitäten neben Forschung und Lehre getreten ist, gehört in diesen Kontext ebenso wie das Beharren auf exklusiver Lizenzierung seit dem6. Forschungsrahmenprogramm der EU.

Zudem lassen sich die nationalen Rechtssysteme innerhalb der EU am einfachsten durch eine Marktorientierung harmonisieren. Die je praxisinhärenten Strukturen des Transfers, im Falle der Wissenschaften die Publikation, werden zunehmend durch den Markttransfer ergänzt oder eben ersetzt. Um aber dem Markttransfer zugänglich zu sein, müssen Informationen erst künstlich marktfähig gemacht werden, und hierzu wird das Patentrecht ein-gesetzt. Letztlich werden wissenschaftliche Ergebnisse durch die Patentvergabemarktverkehrsfähig gemacht, um einerseits den Transfer individueller Leistungen in die Gesellschaft zu ermöglichen und andererseits diese Leistungen den Anreiz- und Gratifikationsmechanismen des Marktes zu unterwerfen. Aufgrund der Ressourcenintensität moderner (bio-)wissenschaftlicher Forschung können Patente auf Foschungsergebnisse zugleich als Investitionsschutz betrachtet werden. Damit ist auch die oben diskutierte Gratifikationslenkung zugunsten von Arbeitgebern anstatt von Forschern zu erklären. Es sind die Arbeitgeber, die in Forschung investieren und die durch – in ihren Augen – mangelnden Investitionsschutz daran gehindert würden. Die Konzentration auf Investitionsschutz erklärt ebenfalls, warum eine Strukturgeschaffen wird, deren Vorteile proportional zur Investitionskraft einer Institutionsteigen. Die klassische Rechtfertigung des Patentrechtes, es fördere die Offenbarung von nützlichen Erfindungen, ist für das ohnehin auf Veröffentlichung ausgerichtete Feld der Wissenschaften nicht einschlägig, sie verliert in der modernen Patentrechtsdiskussion auch zunehmend an Bedeutung.

Patent thickets und Anticommons

Die Ausrichtung auf den Technologietransfer und die Marktverwertung von Forschungsergebnissen stößt aufgrund der unterschiedlichen Strukturen von Wissenschaft und Markt auf ein gravierendes Hindernis. Die etablierten Strukturen verursachen eine Form des Marktversagens, die als tragedy of the anticommons bekanntgeworden ist.

Eine Tragödie der Anticommons , in Anlehnung an die tragedy of the commons, besteht dann, wenn Ressourcen deshalb nicht im Rahmen der Möglichkeiten genutzt werden, weil zu viele Akteure ein Recht haben, andere von der Nutzung auszuschließen. Die Idee der Anticommons wurde von Michael Heller 1998 entwickelt. Die tragedy of the commons oder das „Allmendedilemma“ besteht darin, dass gemeinsame Ressourcen durch Übernutzung zerstört werden. Der Grund der Übernutzung liegt in der individuellen Rationalität potentieller Nutzer. Das Tragische an der Situation besteht darin, dass die fragliche Ressource durch die Übernutzung zerstört wird, obwohl es kollektiv rational wäre, sie zu erhalten (HELLER 1998) und zusammen mit Rebecca Eisenberg im selben Jahr auf den biomedizinischen Sektor angewandt (HELLER, EISENBERG, 1998).

Das Tragische an dieser Tragödie besteht nicht darin, dass hier Ressourcen durch Übernutzung vernichtet werden, wie in der Tragödie der
Commons. Das Tragische wird vielmehr darin gesehen, dass Ressourcen nicht in Nutzen umgesetzt werden, sondern brachliegen. In Naturschutz-Bemühungen wird absichtlich eine solche Situation geschaffen, um bestimmte Flächen vor der Erschließung zu bewahren. Wie in einer Souvenir-Aktion werden winzige, für die Nutzung zu kleine Parzellen des schottischen Hochlandes oder des Tropenwaldes an Privatbesitzer verkauft. Diese erhalten somit ein Recht, die Nutzung des jeweiligen Areals einzuschränken. Ähnliches geschieht bei den biomedizinischen Anticommons. Rechte, in diesem Fall meist Patente, die einen Nutzungsausschluss erlauben, werden für kleine Teile einer Gesamtressource verteilt. Nur dass an die Stelle von Land hier beispielsweise Informationen über kleinste DNA-Abschnitte (ESTs oder SNPs) treten.

'EST' bedeutet expressed sequence tag, ein kurzes Fragment von 500 bis 800 Nukleotiden, das in der Forschung zur Gensequenzierung benutzt wird, selbst aber kein vollständiges Gen darstellt. ‚SNP‘ bedeutet single nucleotide polymorphism , die Variation eines einzelnen Nukleotids innerhalb eines DNA-Stranges derselben Spezies.

Typischerweise sind diese zu klein, um eine Nutzung für ein wirtschaftlich verwertbares Produkt zu erlauben. Soll die Gesamtressource – etwa ein vollständig entschlüsseltes Gen oder gar ein Set von Genen – dann einer Nutzung zugeführt werden, vermögen die Patentinhaber, dies zu unterbinden oder die Kosten dafür durch Lizenzforderungen drastisch zu erhöhen. Dasselbe wiederholt sich auf höherer Ebene, wenn zwar vollständige Gene patentiert sind, ein Produkt aber der Verwendung mehrerer solcher Gene bedarf. Ob die Nutzungsbeschränkung nun durch schlichte Blockade oder durch Verteuerung des Produkts aufgrund von Lizenzzahlungen an die jeweiligen Patentinhaber geschieht, ist letztlich zweit-rangig. Besondere Kritik erfuhren in diesem Kontext Patente auf SNPs und ESTs, die nicht nur die Nutzung der Gesamtressource blockieren, sondern auch als Trivialleistung zu bezeichnen sind, während die Entschlüsselung und Funktionsbestimmung der Gesamtressource, in diesem Fall des jeweiligen Gens, alles andere als trivial und damit eigentlich sehr viel schützenswerter ist. Diese Kritik entzündet sich insbesondere an der Arbeit am CCR5-Rezeptor, auf den ein Patent erteilt wurde, nachdem er lediglich durch den eher trivialen Homologie vergleich entdeckt wurde. Spätere Forschungen, die aufgrund aufwändigerer Arbeiten entdeckten, dass über diesen Rezeptor das HI-Virus Zugang zu Zellen erhält, wurden von diesem Patentabhängig (Vgl GODT 2007, 196 ff).

Patent-Dickichte (patent-thickets), liegen dann vor, wenn nicht mehrere Komponenten von zukünftigen Produkten unter exklusiven Schutzrechten stehen, sondern wenn überlappende Patente denselben Bereich abdecken (Vgl. SHAPIRO 2001; SAFRIN 2004, 667).

Der Effekt solcher Dickichte ist ähnlich denjenigen der Anticommons-Struktur. Sie behindern die Entwicklung marktfähiger Produkte, weil potentielle Produzenten gezwungen sind, eine Vielzahl von Rechten und Ansprüchen wortwörtlich in Rechnung zu stellen, falls das überhaupt möglich ist. Die Tragödie der Anticommons und die Patent-Dickichte stellen eine bestimmte Ausformung von Patentsystemen vor Probleme. Obwohl ähnliche Schwierigkeiten sich aufgrund der Komplexität moderner gesellschaftlicher Interaktion bei nahezu allen Schutzrechten einstellen können, wird hierdurch das Schadenspotential dieser Schutzrechte nicht geringer oder weniger bedenklich. Die beiden Formen von Strukturversagen Anticommons und Patent-Dickichte lassen darauf schließen, dass bestimmte Formen der Patentierung dem ökonomischen Zweck der Patentgesetzgebung, Forschung und Entwicklung in gesellschaftlichen Nutzen zu transferieren, nicht dienen. Die großzügige Vergabe von Patenten für Forschungsergebnisse, wie sie insbesondere bei den Patentgesuchen für ESTs und SNPs angestrebt wurde, kann als Bremse für Forschung und Entwicklung an biotechnologischen Produkten wirken.

Gegen diese Diagnose ökonomischer und moralischer Irrationalität im Beispiel der DNA-Sequenzierung wird zuweilen eingewandt, genau wie im Falle der Entwicklung von Medikamenten gelte es, durch die Patentierung die hohen Investitionskosten zu schützen, die durch die Entdeckung von DNA-Sequenzen entstanden seien. Dieses Argument ist aber deshalb nicht einschlägig, weil die Analogie zwischen dem aufwändigen wissenschaftlichen und rechtlichen Verfahren zur Arzneimittelforschung und der sehr unaufwändigen, weitgehend automatisierten und von Rechtsbarrieren freien DNA-Sequenzierung nicht aufrechtzuerhalten ist-

Dies lässt sich bereits an empirischen Daten belegen. So steigen die Kosten für Grundlagenforschung aufgrund der Patentierung und Lizenzierung von früher öffentlich zugänglichen Forschungswerkzeugen (Vgl. GODT 2003, 165).

Aus ethischer Sicht wird dies deshalb problematisch, weil durch die Verteuerung und die Blockade von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten moralisch relevante Formen sozialen Nutzens nicht realisiert werden. Es handelt sich nicht lediglich um Luxusgüter, deren Realisierung verschoben wird, sondern häufig genug um Mittel der Deckung von Grundbedürfnissen. Insbesondere Entwicklungen in der Nahrungsmittelforschung wie in der Medizin sind von Patenten auf DNA-Sequenzen betroffen. Werden aber Mittel zur Deckung von Nahrungsmittelknappheit

Die Deckung des weltweiten Nahrungsmittelbedarfs trägt besondere Erfordernisse an Regelungen geistiger Eigentumsrechte heran, deren Details den Rahmen dieser Untersuchung sprengen würden. Vgl. hierzu ISTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG 200

oder mögliche Diagnose- und Therapiemöglichkeiten nicht realisiert, weil Patente defensiv genutzt werden, d.h. die Arbeiten anderer Forscher rechtlich unterbunden, aber keine eigenen Entwicklungsbemühungen angestellt werden, so ist dies nicht nur ökonomisch kollektiv irrational, sondern moralisch problematisch. Es ist deshalb moralisch problematisch, weil ohne Aufwand verhinderbares Leiden in Kauf genommen wird. Die Freigabe der Forschung und Entwicklung auf der Basis patentierter Gensequenzen bedeutet für die meisten Patentinhaber keinen relevanten Aufwand. In einem zu konstatierenden ökonomischen Risiko resultierte die Freigabe lediglich, wenn nur einseitig statt allgemein auf die defensive Patentnutzung verzichtet würde. Dieselbe konsequentialistische, moralische Kritik gilt auch für die im Folgenden diskutierten Publikationsverzögerungen und Geheimhaltungen von Forschungsergebnissen und Daten.

Kooperation

Wissenschaftliche Kooperation folgt anderen Gesetzen als die Kooperation in anderen Bereichen, etwa der Kunst oder dem Markt. Die Interaktionsmuster wie auch die Gratifikationsstrukturen sind gerade nicht an Exklusivität orientiert, vielmehr ist wissenschaftlicher Erfolg davon abhängig, dass Ergebnisse und Verfahren geteilt werden. Ein Wissenschaftler, dessen Ergebnisse von anderen Wissenschaftlern in deren Arbeiten verwendet werden, ist erfolgreicher als einer, dessen Ergebnisse nur er selbst verwendet. Darin besteht ein Gegensatz zur Marktgratifikation, die gerade auf die Exklusivität der ökonomischen Verwendung durch nur einen Marktteilnehmer befördert wird.

Ein früher, aber noch immer prominenter Versuch, die Normen wissenschaftlicher For-schung zu erfassen, findet sich unter der Formel CUDOS (Communalism, Universalism,Disinterestedness, Originality, Scepticism bei MERTON 1973.

Dementsprechend ist der Ausschluss anderer von der Nutzung der eigenen Ergebnisse, d.h. Geheimhaltung oder die Errichtung rechtlicher Barrieren, ursprünglich kein Teil wissenschaftlicher Interaktion, sondern wird von außen an diese herangetragen. Die Interaktionsmuster der jeweiligen Wissenschaft werden hierdurch fundamental verändert. Ein Indikator für diese Veränderung ist die Verbreitung und Auswirkung sogenannter Non-disclosure-Vereinbarungen, die Forscher nicht nur mit ihren Arbeitgebern, sondern zuweilen auch mit Organisationen abschließen, welche Forschung auf die eine oder andere Weise unterstützen oder zur Unterstützung heranziehen. Beraterverträge, die kostenfreie Lieferung von Labormaterialien oder Laborgeräten, Auftragsforschung und zahlreiche andere Interaktionen zwischen Forschern und meistprivatwirtschaftlichen Organisationen können zum Anlass für Non-disclosure-Vereinbarungen oder für Vereinbarungen über Präpublikationseinsicht genommen werden. Die daraus teilweise resultierende Nicht-Veröffentlichung oder die nur teilweise Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse widerspricht jedoch den Grundstrukturen wissenschaftlichen Arbeitens und wissenschaftlicher Gratifikation (Vgl. HOTZ 2002.).

Obwohl Forscher, die bestimmte Ergebnisse nur teilweise oder auch gar nicht veröffentlichen, daraus ökonomischen Gewinn davontragen können, entgeht ihnen sicher wissenschaftliches Ansehen. Ob der Transfer durch exklusive Vermarktung der Ergebnisse für die Gesellschaft einen höheren Nutzen darstellt als die all-gemeine Verfügbarkeit und damit nicht-exklusive Vermarktbarkeit der Ergebnisse, ist mindestens umstritten. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es handelt sich hierbei nicht um eine Ausbeutung oder Okkupation akademischer Forschung. Vielmehr prallen Strukturen unterschiedlicher Handlungskontexte und Praktiken aufeinander. Die Fremdheit dieser Handlungskontexte lässt sich exemplarisch an der Reaktion vieler Forscher auf Patente an ihren Forschungsgegenständen ablesen, oder besser am Ausbleiben einer Reaktion. Zahlreiche Forscher agieren, als gälten Patenteinschränkungen für ihre Arbeit nicht. Dieses Vorgehen wird in Europa lediglich für Forschung an patentierten Sachen durch das Forschungsprivileg geschützt, in den USA gilt eine solche Ausnahme nur eingeschränkt. Dennoch scheint es trotz einschlägiger Gerichtsurteile – zu denken ist besonders an
Madey vs. Duke University so zu sein, dass akademische Forscher allerorten die Einschränkungen ihrer Arbeit durch das Patentrecht nicht wahrnehmen oder schlicht ignorieren.

Zum Forscherprivileg vgl. oben ‚Gegenwärtige Grenzen und nationale Unterschiede der Patentvergabe‘. Die geringe Reaktion auf 
Madey vs. Duke University diskutiert Eisenberg in Anschluss an WALSH, CHO,COHEN 2005 in EISENBERG 2006. Eisenberg kann dieses Phänomen damit erklären, dass es sich für Patentinhaber zumeist nicht lohnt, akademische Forschung zu unterbinden, während Prozesse gegen private bzw. produktnähere Forschung durchaus finanziell relevant sind. Daher werden kaum Patentklagen gegenöffentliche Forschungseinrichtungen angestrebt, was wiederum dazu führt, dass dort das Risiko solcher Klagen als gering erachtet wird

Typischerweise werden Patente in der wissenschaftlichen Kooperation erst dann wahrgenommen, wenn ihretwegen Daten und Ergebnisse anderer Forscher nicht verfügbar sind. Allerdings resultiert genau dies aus der Patentierung von Ergebnissen der Grundlagenforschung. Daten wie beispielsweise DNA-Sequenzen können aufgrund ihrer potentiellen Patentierbarkeit und damit ökonomischen Verwertbarkeit dem wissenschaftlichen Austausch entzogen werden. Forschungsergebnisse und Daten gilt es dieser Motivationsstruktur zufolge, erst in exklusive, private Verfügung zu überführen und durch rechtliche Barrieren vor der Nutzung durch andere zusichern, bevor sie der wissenschaftlichen Öffentlichkeit unterbreitet werden. Selbstnach dieser Absicherung sind etwaige Grundlagen der jeweiligen Ergebnisse, auf die keine Patente erlangt werden können, schützenserte und geheimhaltenswerte Ressourcen, weil sie konkurrierenden Forschern ermöglichen, selbst weiterführende Ergebnisse zu erzielen. Dafür, dass Daten immer häufiger geheim gehalten werden, gibt es zahlreiche Belege.

Vgl. CAMPBELL et al. 2000; CAMPBELL et al. 2002; EISENBERG 2001; WALSH, CHO, COHEN2005

Die Interpretation liegt nahe, dass dieses Verhalten insbesondere aufgrund der ökonomischen Verwertbarkeit unter anderem durch Patentierung verursacht wird. Empirische Untersuchungen lassen diesen Schluss zu.

Gerade die immer wieder angemahnte Vernetzung von Forschungseinrichtungen wird erschwert, wenn die Weitergabe von Ergebnissen oder Daten (s.u.) ein ökonomisches Risiko darstellt oder gar durch rechtliche Schranken limitiert ist. Forschungskooperation funktioniert normalerweise nur, wenn die Beteiligten Ergebnisse und Daten austauschen können. Jede neue Kooperation bedeutet damit, dass mehr Akteure Zugang zu vermeintlich wertvollen oder geschützten Daten erhalten. Damit steigt die Hürde für den Zugang zu Kooperationen gerade für jene Institutionen, die in dem jeweiligen Gebiet zwar möglicherweise Potential, aber keine entsprechenden Ergebnisse im Austausch zu bieten haben. Nicht ungewöhnlich für marktstrukturierte Bereiche werden damit Ressourcen dorthin gelenkt, wo bereits Konzentrationen derselben vorhanden sind.

Geheimhaltung und Verzögerung

Während wissenschaftlicher Erfolg primär daran abzusehen ist, ob Ergebnisse von anderen Personen verwendet werden, gibt es im wissenschaftlichen Arbeitsfeld dennoch Anlass, anderen Forschern Informationen vorzuenthalten. Gemeint sind Daten, auf deren Basis Forschungsergebnisse produziert werden. Die offene Weitergabe von Daten kann auch gemäß der Gratifikationsstrukturen der Wissenschaft nachteilig sein, wenn andere Forscher auf deren Basis schneller Ergebnisse zu erzielen vermögen. Obwohl gemäß wissenschaftlichem Ideal die Gewinnung neuen Wissens eine gemeinschaftliche Aufgabe ist, bleibt es doch relevant, wer diese Ergebnisse erzielt, d.h. wissenschaftliches Ansehen gewinnt. Durch die Bereitstellung von Daten ist normalerweise nur wenig wissenschaftlicher Ruhm zu erzielen, von Ausnahmefällen wie dem Human Genome Project einmal abgesehen. Empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass an die Seite der wissenschafts-internen Motivation, Daten zurückzuhalten, die von Forschern durchaus eingestanden wird, ökonomische Gründe getreten sind, die dieses Verhalten begünstigen.

Wie Walsh und Kollegen zeigen, lässt sich das Zurückhalten von Daten nicht nur auf wissenschaftliche Konkurrenz, sondern auch auf den wirtschaftlichen Wert der Forschungsdaten (gemessen in Zahl der Datenanfragen pro Dollar Forschungsfinanzierung) und die Beteiligung an wirtschaftlicher Verwertung von Forschung zurückführen.

Obwohl allein schon die wissenschaftsinternen Gründe – die sich in der Zuteilung von Mitteln nach wissenschaftlichem Output ebenfalls teilweise ökonomisch auswirken – für die Forschung problematisch sind, wird eine Verstärkung des Trends, Daten zurückzuhalten, durch ökonomische Interessen weitere Forschungshindernisse aufwerfen. Dieselbe Untersuchung kommt denn auch zu dem Schluss, dass zahlreiche Forschungsprojekte durch diese Verhaltensweise verzögert wurden oder gar abgebrochen werden mussten. Das Zurückhalten von Daten ist aber nicht nur eine Form der Kooperationsverweigerung, die die Forschung anderer behindern kann. Darüber hinaus verunmöglicht sie oft auch die Reproduktion veröffentlichter Ergebnisse. Insofern wird ein zentrales Kriterium zur Bewertung wissenschaftlicher Forschung, die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen, in Frage gestellt. Die Barrieren im Austausch von Ergebnissen und Daten mögen in vielen Fällen lediglich eine Verzögerung von Forschungstätigkeit mit sich bringen, die zwar möglicherweise aus wissenschaftlicher Sicht bedauerlich, aber oft nicht weiter ethisch problematisch ist. Diese Ansicht täuscht aber darüber hinweg, dass in einigen Fällen das Zurückhalten von Daten und Ergebnissen gravierende Folgen haben kann. Gerade im Bereich der biomedizinischen, insbesondere der genetischen Forschung ist das Zurückhalten von Datenhäufig anzutreffen, und gerade hier können davon gesundheitliche Interessen zahl-loser Betroffener berührt sein. Das Zurückhalten beispielsweise der Daten über die genetische Zusammensetzung von krankheitserregenden Bakterien wie
Staphylococcus aureus oder Helicobacter pylori, die so tatsächlich vorgekommen sind, kann durchaus als ethisch problematisch angesehen werden, weil damit auch die Erforschung von Behandlungsmöglichkeiten verzögert oder verhindert wird (Vgl. HOTZ 2002, 183.).

Dasselbe kann für Daten über potentiell krankheitsrelevante Gene gelten. Daneben gilt es zu beachten, dass die Erhebung von Daten – sowohl in den Biowissenschaften wie auch in anderen Disziplinen – oft hohe Kosten verursacht.

Die mehrfache Erhebung derselben Daten, gerade wenn sie mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, ist kollektiv hochgradig irrational. Dies gilt besonders dann, wenn die Datenermittlung nicht unendlich oft nacheinander möglich ist. Dies ist zwar in der Genetik nicht der Fall, in den Biowissenschaften durchaus aber bei der Bioprospektion – der Sammlung genetischen Materials in der Natur –, in anderen Wissenschaften besonders bei der Datenerhebung durch Befragungen. Die potentiellen Teilnehmer zeigen nach wenigen Versuchen eine gewisse Umfragemüdigkeit, was nicht nur die Verfügbarkeit, sondern auch die Qualität der Daten beeinträchtigen kann. Wo Datenerhebung mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, gibt es keine Rechtfertigung dafür, diese nicht auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies wirft aber besonders dort Probleme auf, wo Daten aus öffentlich finanzierten Erhebungen in Auftragsforschung oder in anderweitig restringierte Projekte ein-gehen. Indem sie einen neuen Anreiz zur Geheimhaltung von Daten und Ergebnissen liefern, befördern exklusive Rechte auf Wissen nicht nur eine ökonomisch nicht optimale Nutzung vorhandenen Wissens und einen wissenschaftshinderlichen Umgang mit Daten und anderen Ergebnissen. Sie begünstigen gerade im Falle der Biopatente eine moralisch fragwürdige Verzögerung oder gar Vereitlung der Entwicklung von Diagnose- und Therapiemöglichkeiten.

Grundlagenforschung und Reach-through-Klauseln

Lange Zeit galt Grundlagenforschung als marktfern bzw. nicht ökonomisch verwertbar. Dass dies nur in einem zeitlich sehr engen Blickwinkel korrekt ist, ergibt sich schlicht daraus, dass die Grundlagenforschung die Bedingung aller angewandten Forschung ist. Insofern sind Zahlen darüber, welchen Einfluss gerade akademische Grundlagenforschung auf industrielle Produkterstellung hat, mit Vorsicht zu genießen (COHEN et al. 1998).

Spätestens seit dem Bayh-Dole-Act in den USA, entsprechenden Reformen in europäischen Staaten und der damit einhergehenden Motivation auch öffentlicher Forschung, ihre Ergebnisse kommerziell zu nutzen, ist die vermeintliche Marktferne von Ergebnissen der Grundlagenforschung partiell durchbrochen (EUROPEAN COMMISSION 2004).

PL 96-517, Amendments to the Patent and Trademark Act of 1980, codified as amended at 35 U.S.C., Sect. 200-212. Der Bayh-Dole-Act verleiht staatlichen Universitäten das Recht, Patente für neue Erfindungen selbst anzumelden und zu verwerten. Sie können seitdem kommerzielle Lizenzverträge eingehen und Forschungsergebnisse aus öffentlich finanzierter Forschung eigenständig vermarkten. Zuvor fielen diese Patente direkt an den Staat. Zum Einfluss des Bayh-Dole-Act auf die ökonomische Nutzung von technologischen Neuheiten vgl. FABRIZIO 2007. Demnach hat die Patentierung durch Universitäten und deren Spinoffs den Technologietransfer eher verlangsamt als beschleunigt. Zur Geschichte der Patentierung von biologischer Grundlagenforschung vgl. SMITHHUGHES 2001.
Mit der Patentierung von grundlagenforschungsnahen Ergebnissen und Forschungswerkzeugen eröffnet sich ein zweischneidiges Problem. Einerseits schlägtdie Finanzierungsentscheidung zwischen Grundlagenforschung und angewandterForschung häufiger als früher zugunsten der angewandten Forschung aus.
Vgl. COHEN et al. 1998, 186 f. Demnach ist der Finanzanteil für Grundlagenforschung seit den 1970er Jahren insgesamt gesunken und die Industrienähe von Forschungseinrichtungen korreliert negativ mit deren Investition in Grundlagenforschung.
Mitdem Patentrechtsschutz für Instrumente der Grundlagenforschung – selbst typischerweise Ergebnisse derselben – steigen andererseits die Hürde für die Weitergabeund den Austausch dieser Instrumente und damit auch die Kosten für diese Forschung. Exemplarisch ist wiederum die Patentierung von DNA-Sequenzen, die alsMarker in der Forschung eingesetzt werden. Während solche Marker im Laborselbst ohne große Kosten herstellbar wären, erhöhen Patente auf diese Sequenzenim Falle ihrer Durchsetzung, d.h. Lizenzforderungen, die Kosten für dieses Forschungswerkzeug (GODT 2003, 165).
Gleichzeitig wird durch die Patentierbarkeit von Ergebnissen und Werkzeugender Grundlagenforschung deren Potential, finanziellen Nutzen zu erbringen, gesteigert. Nicht zuletzt durch sogenannte Reach-through-Ansprüche erlauben Patente aufÂErgebnisse der Grundlagenforschung, Gewinne von Lizenznehmern abzuschöpfen,die mit Hilfe der patentierten Instrumente Downstream-Erfindungen produzierthaben. Zwar müssen im Rahmen von
Reach-through-Klauseln bei der Beschaffung vonForschungsinstrumenten oft keine direkten Lizenzgebühren entrichtet werden, esentsteht jedoch eine Abhängigkeit möglicher Produkte der Forschung von denPatentrechten des Lizenzgebers. Das kurzzeitig entlastete Forschungsbudget stehteiner langfristigen Belastung der Produktvermarktung gegenüber. Mit einer Vielzahl von Forschungsinstrumenten pro Forschungsprojekt, wie sie in der modernen bio-technologischen Forschung oft gebraucht wird, kommt es dann zum sogenannten Royalty stacking, d.h. mehrfachen Abhängigkeiten nebeneinander oder gar aufeinanderaufbauender Rreach-through-Klauseln. Mit dieser Struktur wird nicht der Transfer vonErgebnissen der Wissenschaft in die Gesamtgesellschaft gesteuert, sondern die wissenschaftsinternen Steuerungsinstrumente werden durch diejenigen des Markt esersetzt. Daher ist es auch unplausibel, die Möglichkeit, mit Forschungsinstrumentenund ähnlichen Ergebnissen der Grundlagenforschung selbst ökonomischen Gewinn von anderen Forschungsinstituten zu erlangen, als Vorteil für die Grundlagenforschung zu sehen, der deren zurückgehende Finanzierung ausgleicht.Â
‚Upstream‘ und ‚downstream‘ bezeichnen den Ort eines Produktes im Forschungs- und Entwicklungsprozess. Produkte der Grundlagenforschung, research tools, und Rohstoffe markieren den ‚upstream‘-Bereich, Endnutzerprodukte das‚ downstream‘-Ende der Skala
Vielmehrhandelt es sich um ein Einfallstor ökonomischer Handlungsmuster und Gratifikationsstrukturen in die Wissenschaft. Ob man diese Ersetzung von Handlungs-mustern und praxisinternen Normen akzeptiert, hängt davon ab, ob man wissenschaftliche Organisationsformen als instrumentell oder als intrinsisch wertvollansieht. Vieles spricht dafür, dass wenigstens die beteiligten Wissenschaftler die wissenschaftlichen Kooperations- und Gratifikationsstrukturen jenseits ihrer instrumentellen Rolle als wertvoll erachten. Selbst wenn diese Strukturen nur instrumentell geschätzt werden, beeinträchtigt die durchgehende Kommerzialisierung der Wissenschaftspraxis deren Erfolgsaussichten.

Peer reviews und Antragstexte

Eines der zentralen Mittel der Kooperation und Evaluation wissenschaftlicher Ergebnisse sind peer reviews. Fast alle renommierten Zeitschriften bedienen sich dieses Verfahrens. Darüber hinaus werden mindestens öffentliche Finanzierungsentscheidungen regelmäßig durch dieses Verfahren angereichert. Diesem Verfahren stellen sich in jüngerer Zeit zwei Tendenzen entgegen. Erstens wird teilweise von wissenschaftsexternen Instanzen gefordert, die Institution der peer reviews dahingehend zu unterlaufen, dass Forschungsergebnisse von zu begutachten-den Artikeln vor deren Veröffentlichung verwendet und möglicher kommerzieller Nutzung durch den Gutachter oder dessen mögliche Partner zugeführt werden. Sollten sich solche Forderungen durchsetzen, wäre das Instrument des peer review für potentiell verwertbare Forschung mindestens in den USA hinfällig. Dort gilt, dass eine Veröffentlichung die Neuheit des Patentgegenstandes nicht zerstört, wenn der entsprechende Antrag innerhalb einer bestimmten Schonfrist eingereicht wird. Müssten Wissenschaftler damit rechnen, dass ihre Ergebnisse potentiell ihrer ökonomischen Erstverwertung entzogen sind, wenn sie sie zur Begutachtung einsenden, so würden sie oder mindestens die beschäftigenden Institutionen dieses Verfahren kaum mehr bedienen. Wo es keine Schonfrist für Patentanträge gibt, wird ohnehin erst das Patent eingereicht, und erst dann wird die Veröffentlichung zur  Begutachtung geschickt. Insofern entstünde kein Schaden durch die Reihenfolge, die Patenschrift vor der Veröffentlichung einzureichen. In Anbetracht der Internationalität der einschlägigen Journale und der Bemühungen der meisten biotechnisch tätigen Konzerne, weltweite Patente zu erwerben, kann dieser Vorstoß aber nicht als lokales Problem eines Rechtssystems angesehen werden. Die Auswirkungen wären in der Wissenschaft weltweit zu verzeichnen. Ein entsprechender Rechtsstreit in den USA wurde 1996 kurz vor der Verhandlung außergerichtlich beigelegt, so dass jenseits von expliziten Gutachterverträgen keine Rechtssicherheit hinsichtlich des Peer-review-Verfahrens und dessen Vertraulichkeit erreicht werden konnte (MARSHALL 1996a und MARSHALL 1996b).
Ebenso problematisch sind Interessenkonflikte bei möglichen Gutachtern. Bereits wissenschaftliche Interessenkonflikte haben immer schon ein Problem für den Prozess dargestellt, zu große Nähe zur begutachteten Forschung oder zu große Distanz zur darin vertretenen Position waren nie förderlich. Darüber hinaus entstehen aber durch mögliche wirtschaftliche Interessen oder Abhängigkeiten zusätzliche Konfliktpotentiale. Forschungsergebnisse, die der ökonomischen Unterstützung oder Verwertbarkeit der eigenen Forschung zu sehr schaden, werden aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit derselben Objektivität begutachtet wie andere.
Zweitens hat sich für den Bereich der Begutachtung von Forschungsanträgen ein Problem dadurch ergeben, dass eine neue Textform den Kriterien ökonomischer Verwertbarkeit entgegenzukommen versucht. In Forschungsanträgen oder Forschungsvorschlägen ist längst nicht mehr nur nüchterne wissenschaftliche Prosa über die Risiken und potentiellen Erkenntnisfortschritte eines Projekts zu finden. Solche Anträge hätten eine beliebig hohe  Wahrscheinlichkeit des Scheiterns. Stattdessen finden sich Ankündigungen von Forschungserfolgen, potentiellen Patenten, industrieller Wertschöpfung, die sich auf der Basis wissenschaftlicher Methoden nicht treffen ließen. Würde im Peer-review-Verfahren auf solche Texte mit derselben wissenschaftlichen Methode reagiert, mit der auf Fachpublikationen zugegriffen wird, müssten zahl-reiche Forschungsanträge als nicht bewertbar zurückgewiesen werden. Nichtumsonst liegt der Neologismus ‚Antragsrhetorik‘ in aller Munde. Beide Tendenzen der Veränderung von peer reviews
mögen harmlos erscheinen, sie exemplifizieren jedoch die zuvor festgestellten Konflikte wissenschaftlicher und marktförmiger Kooperationsmuster. Insgesamt zeichnet sich ab, wie etablierte und effektive Verfahren wissenschaftlicher Kooperation, die eigentlich mit den rechtlichen Regelungen und ökonomischen Zielen des Patentsystems in keinem Zusammenhang stehen, dennoch von diesen verändert und manchmal ausgehöhlt werden. Diese Tendenz fordert eine deontologische Kritik heraus, der zufolge die Wissenschaftspraxis nicht nur als instrumentell bewahrenswert zu gelten hat.

Fazit

Der Wissenschaftspraxis kommt sicherlich nicht wie der Selbstzweckhaftigkeit vernünftiger Wesen primärer moralischer Status zu. Sie ist zwischen Trägern vonabsolutem moralischem Status und Gegenständen, denen ein Preis zuzuordnen ist,zu verorten. Der kantischen Differenzierung des Wertstatus als entweder Würde oder Preis folgend, wäre der sekundäre moralische Status immer nur Preis, egal ob Affektions- oder Marktpreis.

Es ist aber durchaus damit zu rechnen, dass es einen moralischen Status gibt, der weder Würde noch Preis ist (Vgl. KANT 1785, AA 434 f). Exemplarisch dafür kann der Wert kultureller Grundlagen einer Gesellschaft gelten, wie die Wissenschaftspraxis eine ist. Diese sind weder durch ein Äquivalent austauschbar, haben in diesem Sinne also keinen Preis, noch sind sie Zweck an sich selbst, haben in diesem Sinne also keine Würde. Dieser deontologischen Kritiklinie schließt sich eine konsequentialistische an. Die Konsequenzen der genannten Veränderungen sind geeignet aufzuzeigen, dass die Koordinationsmuster des Patentsystems häufig die damit verfolgten sozialökonomischen Ziele verfehlen und zudem effektive Steuerungsmechanismen anderer Gesellschaftsbereiche unterminieren. Sie produzieren eigene Ineffizienzen, die, wie oben gezeigt, besonders in der Entwicklung von Nahrungsmitteln und Medikamenten moralisch bedenkliche Nutzenblockaden bedeuten. Auch aus der Perspektive der politischen Philosophie muss ein Mangel des veränderten Patentsystems und der Prozesse der Veränderung konstatiert werden. Die Praxis und die Regeln der Patentvergabe sind den Mechanismen der betroffenen Gesellschaftsbereiche nicht nur fremd, sie sind zudem oft ohne unmittelbare demokratische Legitimität aufgrund von Verwaltungsvorschriften erlassen worden. Damit sind sie nicht nur jenseits des fachjuristischen Diskurses, sondern auch ohne Beteiligung zentraler Interessengruppen wie Wissenschaftlern, indigenen Gruppen, Staaten mit anderen Rechtssystemen für geistiges Eigentum etc. zustande gekommen.

Literatur

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